Siehe: Petra Bonavita, Mit falschem Pass und Zyankali, Stuttgart 2009, S. 157-159
Besonders Kinder, die als „Geltungsjuden“ eingestuft oder als „Mischlinge 1. Grades“ vom städtischen Jugendamt Frankfurt betreut wurden, sollten auf Anordnung im Sommer 1943 in die Euthanasieanstalt Hadamar eingewiesen werden. Als dieses Schreiben den Dienststellenleiter des städtischen Jugendamtes Theo Walter erreichte, setzte er alles daran, mit Hilfe der Caritas die Kinder davor zu bewahren. Über das Monikaheim – Fürsorgeheim katholischer Frauen – kamen Inge G. in ein Kloster in Niederbayern und Erna H. in ein Heim in der Pfalz. Curt Leon Speier kam in einem Waisenhaus in Baden-Württemberg unter. Drei Tage Aufschub gab der Gestapo-Beamte Curts Tante und einem Mitarbeiter des Jugendamtes, um ihn aus der Stadt zu schaffen. Ebenso gelang es dem Vater von Franz R. diesen in einem Heim für Behinderte in Hochdorf/Württemberg unterzubringen, nachdem seine geschiedene Frau deportiert worden war. Das Kinderheim Hotel Viktoria in Schlangenbad (1944-1948 eine Ausweichunterkunft für Frankfurter städtische Kinderheime) nahm die dreijährige Renate S. auf, nachdem ihr Bruder Karlheinz als Epileptiker vom städtischen Gesundheitsamt nach Hadamar geschickt und dort im August 1943 vergast wurde. Die Kinder wurden zuvor von Verwandten betreut und als diese Unterkunft nach der Verschickung des Bruders nicht mehr sicher genug erschien, kam Renate in das auswärtige Kinderheim. Für die als „Geltungsjuden“ eingestuften drei Kinder der Mutter Niklas gab es Unterkünfte bei Bauern in Zwingenberg. Sie emigrierten nach 1945 mit Hilfe der Caritas und der Jugend-Aliyah nach Palästina. Auch Waisenhäuser in Thüringen und Sachsen brachten solche Kinder unter. Durch die Weigerung des Jugendamtleiters die Anordnung umzusetzen, konnten 40 Kinder in Heimen, Pflegestellen und Verwandtenhaushalten bleiben.