Siehe: Petra Bonavita, Mit falschem Pass und Zyankali, Stuttgart 2009, S. 125-127 und S. 110-113; siehe auch die Flucht unter Zuhilfenahme eines Postausweises für Helga Frühauf, der in Frankfurt/Main ausgestellt wurde, in: Armin Schmid, Im Labyrinth der Paragraphen, Frankfurt/Main 2006, S. 83-88
Ein ausgewiesener Rettungshelfer war der Postausweis. Als Ersatzdokument der damaligen Kennkarte (heute: Personalausweis) genügte sie für den ersten Blick bei Kontrollen. Manch einer überlebte mit diesem Ersatzdokument. Sigmund Stein erhielt die Vorladung zur Gestapo Mitte Juni 1943. Der Antifaschist hatte bereits einige Gefängnisaufenthalte überstanden und seine Firma verloren. Mit der Vorladung in die Gestapo-Zentrale Lindenstrasse kam nun das Signal zum Untertauchen. Seine Frau meldete ihn auf dem Polizeirevier als vermisst an, Siegmund Stein flüchtete nach Wien. Innerhalb von zwei Wochen hatte er Dank seiner anti-faschistischen Kontakte eine Postausweiskarte auf den Namen Oskar Werm. Als „U-Boot“, wie die Untergetauchten in Wien genannt wurden, überlebte er zwei Jahre illegal und kehrte nach 1945 nach Frankfurt zurück. Wie Siegmund Stein folgten im Jahr 1943 ca. 30 Personen ebenfalls nicht der Vorladung in die Gestapo-Zentrale. Die meisten Verfolgten verließen Frankfurt. Sie tauchten in Gmünden, Berlin und Hofheim unter, im Vogelsberg und im Rheingau, mit Hilfe von Freunden und Verwandten, ohne polizeiliche Anmeldung und lebten ohne Lebensmittelkarten, ausschließlich auf die Unterstützung mutiger Menschen hoffend.Bertha Essers Ehemann hatte sich scheiden lassen, und ohne den Schutz ihres nicht-jüdischen Ehemannes fiel sie aus dem geschützten Status einer „Mischehe“ heraus. Esser gelang es, sich im Dezember 1942 einen Postausweis ohne den längst für sie vorgeschriebenen Zusatznamen „Sara“ zu besorgen. Als sie zum 12. Januar 1943 aufgefordert wurde, ihre Wohnung zu räumen und sich in der Sammelunterkunft im Hermesweg 5 einzufinden, entschied sie sich zur Flucht. Mit Hilfe der Familie ihrer Freundin Margarete Foessl-Neuland floh sie über Straßburg nach Mulhouse im Elsass. Es waren christliche Freunde, die ihr bei der Flucht im März 1943 halfen und sie ermutigten auf einen Güterzug aufzuspringen, der in die Schweiz fuhr.