Siehe: Petra Bonavita, Mit falschem Pass und Zyankali, Stuttgart 2009, S. 148-156
Durch seinen Arbeitgeber Kurt Würz gewarnt hörte Richard Nägler von den gezielten Vorladungen zur Frankfurter Gestapo. Für die jüdische Ehefrau Edith Nägler bestehe konkrete Gefahr, denn der Gau Hessen-Nassau solle als „judenfrei“ ausgegeben werden, hatte das NSDAP- Parteimitglied Kurt Würz aus den Gesprächen herausgehört.Nägler wusste diesen Hinweis gut einzuordnen, denn ein Jahr zuvor wollte ihm das Frankfurter Arbeitsamt einen Arbeitsplatz in der IG Farbenindustrie vermitteln. Einsatzort war Auschwitz. Die Fahrt dort hin und die anschließende Besichtigung der unmenschlichen und brutalen Arbeitsbedingungen im Frühjahr 1942 in Auschwitz hatte er noch vor Augen. Er lehnte die Vermittlung ab und kam in der Druckerei von Kurt Würz unter. Nun, im Frühjahr 1943, kannte er seine Kollegen derart gut, dass er aus Gesprächen ihre Haltung zum NS-Regime herausgehört hatte.So wandte er sich an einen Kollegen aus Singen in Baden-Württemberg, dem Grenzgebiet zur Schweiz, ob er da nicht da eine Möglichkeit sehe, über die grüne Grenze zu gelangen. Nach Rücksprache des Kollegen Richard Jäckle mit dessen Familie in Singen wurde eine Stelle in der Nähe von Gottmadingen ausgesucht, die für eine Flucht den geeigneten Übergang versprach. Gleich hinter dem Friedhof und durch eine Mulde geschützt führte dieser Weg direkt zum Zollhaus Buch auf der Schweizer Seite. Es galt einzig und allein darauf zu achten, dass sich die deutschen Grenzer in ihr Quartier in Murbach – von dort war die Stelle nicht einsehbar – zurückgezogen hatten. Nur mit einer Handtasche am Arm erreichte Edith Nägler als Spaziergängerin getarnt den Ort, nutzte die Gunst der Stunde und lief auf das schweizerische Zollhaus zu. Und nicht nur ihr gelang die Flucht, ein paar Wochen später floh auch Richard Nägler, um einer Vorladung der Gestapo zu entgehen.