Quelle: Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 Frankfurt/Mainund US Holocaust Memorial Museum Washington, Collection 2002.296, Case Numer 2779
Zwei Jahre „schmierte“ Erich Gerber einen Spitzel, der sich für seine Frau bei der Gestapo „einsetzte“. Im Wesentlichen ging es um die Reduzierung der Arbeitsstunden bei ihrem Zwangsarbeitseinsatz und um rechtzeitige Warnungen vor einer von der Gestapo beabsichtigten Deportation. Aber Erich Gerber vertraute nicht allein auf die Dienste des Spitzels. Er richtete vorsorglich in einem teilausgebombten Haus in der Feldbergstrasse 10 ein Zimmer her. Zerborstene Fensterscheiben wurden mit Pappe abgedichtet, eine Heizung war nicht mehr vorhanden. Dahin flüchtete Emma Gerber. Der Ehemann Erich, der die Scheidung von seiner jüdischen Ehefrau verweigerte, war seit Januar 1945 in das Zwangsarbeitslager Clausthal-Zellerfeld im Harz überstellt worden. Tochter Erika, die als einzige im elterlichen Haus blieb, versorgte die Mutter in deren Versteck. Sie übergab der Gestapo einen vorbereiteten Abschiedsbrief, in welchem ihre Mutter ihre Selbstmordabsichten hinterließ. Als am 1. März 1945 zwei Gestapo-Beamte ins Haus der Eltern einquartiert wurden, geriet Erika unter zusätzlichen Druck. Tagsüber in einem Rüstungsbetrieb arbeitend versorgte sie nachts ihre Mutter mit Lebensmitteln. Freunde halfen ihr dabei. Als am 26. März die Amerikaner Frankfurt befreiten, fiel eine Last von den Schultern der Tochter. Ein Leben lang hat sie diese Belastung nicht vergessen.Die durchgestrichenen Namen auf der Deportationsliste vom 14. Februar 1945 weisen auf Personen hin, die sich im letzten Moment zum Untertauchen entschlossen hatten. Das waren zum Beispiel Irene D. und Sohn, die von der früheren Nachbarin Berta Gies im Keller in der Wielandstrasse versteckt wurden. Marianne M. wurde noch aus dem Deportationszug von ihrem Onkel herausgeholt, Vater Müller versteckte seine Zwillingskinder, Mutter Rosenberg brachte ihre zehnjährige Tochter zu Familie Ries nach Steinau. Die Liste der in letzter Minute Entkommenen liest sich auch als Ortsverzeichnis: in der Güntherburgallee bei Freunden versteckt, im Raum Offenbach untergetaucht, in Stockheim illegal, in Röllshausen mit Sohn untergetaucht, in Ulfa bei Schwager versteckt, bei einer Bauernfamilie in der Rhön oder in einem Kellerloch untergeschlupft. Die meisten Verfolgten zog es aus der Stadt heraus. Sie tarnten sich als Flüchtlinge aus den mittlerweile von der Roten Armee eroberten deutschen Ostgebieten oder als vor den Bomben geflohen und hofften dadurch auf bereitwillige Aufnahme bei der Landbevölkerung.Einigen Verfolgten gelang es, ihren Namen nicht auf der Liste erscheinen zu lassen. Für Elfriede Schöps setzte sich der Betriebsführer der Firma Franz Wagner & Söhne ein. Er überzeugte den Gestapo-Inspektor Hummel von der Notwendigkeit ihrer Arbeit im Betrieb. Im Gegensatz zu anderen Sternträgern wurde sie nicht deportiert. Dem Arbeitgeber August Weimer und dem Gestapo-Spitzel Hans Baumann gelang es, Ernestine Hoffmann mit gleichen Argumenten vor der Deportation zu bewahren. Lili Scholz hatte bereits 1943 ihre Mutter durch Beziehungen und hartnäckig vorangetriebene Gespräche aus der Gestapo-Haft in Frankfurt geholt. Eine Anstrengung, die sich über Wochen hinzog. Ihre Mutter wurde von der Deportationsliste gestrichen, nachdem sie sich zu erpressten Liebesdiensten hergab.Nach der Befreiung durch die Amerikaner veröffentliche die Exil-Zeitschrift „Aufbau“ im April 1945 noch 155 Namen von in Frankfurt verbliebenen Juden. Es waren fast nur ältere Menschen, von denen der Arzt Dr. Alfred Goldschmidt einige als „transportunfähig“ erklärt hatte.