Dr. Antonie Sandels in ihrer Praxis in Heidelberg (Aufnahme 50er Jahre) © Dr. Dieter Herberg
Dr. Antonie Sandels in ihrer Praxis in Heidelberg (Aufnahme 50er Jahre) © Dr. Dieter Herberg
Als die Kinderärztin Dr. Sandels 1933 durch die ersten NS-Gesetze ihre ärztliche Kassenzulassung verlor, begann sie Überlebensstrategien zu entwickeln. Mit ihrer Freundin Margarete Herberg, die mit ihrem neugeborenen Sohn 1931 als Patientin zu ihr gekommen war und ihr Leben nach der Scheidung neu gestalten musste, eröffnete sie ein Pensionat für alte Damen, die als Jüdinnen ihr Leben in eigenem Haushalt nicht mehr finanzieren konnten oder zum Auszug aus ihrer Wohnung gedrängt wurden.Im Gegensatz zu ihrem Bruder, der in die USA emigrierte, fühlte sich Sandels für ihre alte Mutter verantwortlich und blieb in Frankfurt. Um später leichter emigrieren zu können, heiratete sie Dr. Walter Oppenheimer, der sie als Ehefrau auf seinem Antrag für ein Visum eintragen ließ. Nach dem Tod der Mutter war es für Dr. Antonie Sandels-Oppenheimer viel zu spät zu emigrieren. Die finanzielle Eigenständigkeit und die mittlerweile etablierte Wohngemeinschaft der beiden Frauen Sandels und Herberg wurde Ende der 30er Jahre beendet. Dr. Sandels musste auf Anweisung der Gestapo als Kinderärztin in das Kinderhaus Hans-Thoma-Strasse 24 umziehen. Für die letzte große Deportation am 24. September 1942 erhielt auch Sandels die Aufforderung, sich an der Großmarkthalle einzufinden. Gegenüber ihren Mitarbeitern im Kinderhaus sprach sie von Selbstmord und flüchtete in einem unbewachten Augenblick zu ihrer Freundin Margarete, die vis à vis in der Gartenstrasse in einer Mietwohnung lebte.Um mögliche Spürhunde abzuwehren, streute Margarete Herberg Pfeffer. Nachdem zweimal die Gestapo an der Wohnungstür geklingelt hatte, verkroch sich Antonie Sandels in eine Dachkammer. Aus Furcht vor einer weiteren Gestapo-Kontrolle hörte sich Margarete Herberg nach einem Ausweichquartier um. Von ihrer Friseuse erhielt sie den Hinweis, sich an Adam Imhof zu wenden, der ihr als vertrauenswürdig genannt wurde. Imhof hatte jahrelang als Chauffeur für den jüdischen Besitzer der Adler-Werke gearbeitet und in seiner Hinterhofwohnung kam Sandels für die nächsten Monate unter. Alle paar Tage brachte Herberg Lebensmittel vorbei.
Margarete Herberg (li.) und Antonie Sandels beim Wandern im Odenwald (Aufnahme 50erJahre) © Dr. Dieter Herberg
Margarete Herberg (li.) und Antonie Sandels beim Wandern im Odenwald (Aufnahme 50erJahre) © Dr. Dieter Herberg
Dr. Elisabeth Steiner (re.) eine Überlebende des Lagers Theresienstadt zu Besuch in Heidelberg bei Herberg (li.) und Sandels (Mitte). (Aufnahme 50er Jahre) © Dr. Dieter Herberg
Dr. Elisabeth Steiner (re.) eine Überlebende des Lagers Theresienstadt zu Besuch in Heidelberg bei Herberg (li.) und Sandels (Mitte). (Aufnahme 50er Jahre) © Dr. Dieter Herberg

Da sie für den Direktor Kurt Thomas im Musischen Gymnasium arbeitete und mit der Köchin des Internats befreundet war, konnte Margarete Herberg zusätzliche Lebensmittel abzweigen. Gegen Ende 1943 kehrte Sandels in die Wohnung von Margarete Herberg in der Gartenstrasse 51 zurück. Da sie bei den häufigen Fliegerangriffen nicht den Luftschutzkeller des Hauses aufsuchen durfte, ließ sich Herberg als Luftschutzwartin ausbilden. In dieser Funktion bestimmte sie Zutritt und Ende des Kelleraufenthalts. So kam Sandels als Letzte herunter und hielt sich hinter der Kellertür auf. Bei einem dieser Angriffe wurde das Haus schwer getroffen, und Sandels und der Sohn von Margarete Herberg nutzten die Gunst der Stunde und flüchteten in Richtung Heidelberg. In dem kleinen Örtchen Korb am Neckar fanden sie Unterschlupf in einem Häuschen, das der Köchin des Musischen Gymnasiums gehörte. Auf den Namen Eva Imhof beantragte Antonie Sandels als Fliegergeschädigte einen Ausweis und erhielt anschließend eine Lebensmittelkarte. Nach einem weiteren Umzug erlebten Margarete Herberg, ihr Sohn und Antonie Sandels die Befreiung in Korb.

Siehe: Petra Bonavita: Mit falschem Pass und Zyankali, Stuttgart 2009, S. 64; Frank Moraw: Illegal von Frankfurt nach Heidelberg, in: Heidelberg - Jahrbuch zur Geschichte der Stadt 2011, Heidelberg 2010, S. 231-239

[english version]